Was in Spanien die Zambomba, ist hier der Rummelpott.
Nicht Halloween, nicht Sternsingen. Nein: Rummelpott!
Rummelpott hat was. Es ist kreativ und frech – nicht zu viel und nicht zu wenig -, und es bringt was ein., Genau passend, um das Jahr zu verabschieden.
Die kleine Hürde dabei: Rummelpott-Laufen findet auf Plattdeutsch statt. Aber so schwer sind die Verse auch nicht zu lernen. Und für den Anfang reichen ja schon ein oder zwei. Etwas mehr Anstrengung und Vorbereitung als zu Halloween ist für ´s Rummelpott-Laufen allerdings schon gefragt. Aber genau darum macht es auch Spaß.
VolkskundlerInnen (heute „Kulturanthropologen“) stellen das Rummelpott-Laufen in den Zusammenhang mit Lohndaten, zu denen früher das Gesinde bezahlt wurde, bzw. es seinen Lohn eingefordert hat. Später zur Kindersitte “herabgesunken” hat sich dieser norddeutsche Heischebrauch lange gehalten. Bei einem Recherche-Telefonat Mitte der 1980er Jahre berichtete mir der damalige Direktor des Dithmarscher Landesmuseums von einer Rummelpott-Läuferin auf einem silbernen Messergriff aus dem 17. Jahrhundert. Mit einem Rummelpott sei sie in der Ausstellung zu sehen. Auch in einer der volkstümlichen Szenen von Pieter Breughel d.Ä. findet sich ein eher kindlicher Rummelpott-Spieler mit seinem Instrument: Eine Tonkruke, bespannt mit einer Haut, aus deren Mitte ein Stab herausragt.
Fukepott heißt er in Flandern und den Niederlanden, Zambomba in Spanien. Er scheint recht verbreitet zu sein und immer dann eine Rolle zu spielen, wenn es fröhlich zugeht und der Rummelpott mit seinem rauhen Brummrhythmus für Stimmung sorgt. “Toca la zambomba” (Spiel den Rummelpott) heißt es ganz direkt in einem der lustigen spanischen Villancicos, den spanischen Weihnachtsliedern.
Aber zurück zum Rummelpott-Laufen am Altjahrsabend, also zu Silvester.
Wie sich der Rummelpott anhört und Stimmen von Kindern und Erwachsenen zu dieser Sitte hört Ihr in einem Beitrag, den ich vor ungefähr 15 Jahren verfasst habe, also ca. 2007. Eine der vier Versionen ging bis zum Bayerischen Rundfunk. Die Ausführlichste mit knapp fünf Minuten hört Ihr hier:
Rummelpott in Hamburg, in den frühen 1930er Jahren und 1986
Was nun kommt, ist ein Stück mit Aufnahmen aus dem Dezember 1986. Es gehört zu meinen frühen Beiträgen für die NDR Hamburg-Welle (später 90,3). Interviewt hab ich Frau Hartmann aus Groß Flottbek, Helle Wiese, der als Kind im Arbeiterstadtteil Hamm wohnte, und Kinder aus Wandsbek. Der vor einigen Jahren verstorbene Helle ist übrigens ein weiteres Beispiel plattdeutscher Juden in Hamburg.
Technisch gesprochen, es fehlen kurze Zwischentexte zwischen den Interview-Passagen. In meinem Archiv erhalten waren nur die – analogen – O-Ton-Bänder. Zum nachträglichen Einsprechen fehlte mir jetzt die Zeit. Aber ich glaub, es geht auch mal so. An dieser Stelle ein großer Dank an Günter Arnold für’s Digitalisieren von „Senkel“ auf Datei. Was das Rummelpott-Basteln anbelangt, bin ich damals der telefonischen Anleitung eines Instrumenten-Bauers in Belgien gefolgt, die mir der belgische Konsul in Hamburg vermittelt hatte. Aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom.
Die klassische Verkleidung besteht aus alten Arbeitsklamotten und Arbeitsschuhen der Erwachsenen, oder für Kleinere sonst wie Abgetragenes, entsprechend dem Ursprung des Brauchs. Anstelle von Ruß im Gesicht tut ´s auch eine Maske. Und die Beutel dürfen natürlich nicht fehlen, früher ein alter Kopfkissenbezug, heute eher ein Stoffbeutel, und zwar für jedes Kind einen. „Wie viele seid Ihr denn?“ lautet bei erfahrenen “Adressen” die Frage. Fünf dürfen es gerne mal sein. „Die Gabe wird verdeckt gegeben”, wissen Rummelpott-Fachleute. Das heißt, die Rummelpott-LäuferInnen wissen nicht, wenigstens nicht genau, was ihnen in den Beutel gesteckt wird. Oft wird der Bunte Teller von Weihnachten geplündert, etwas Geld wird spendiert, und traditionsbewusste Haushalte haben neben der Wohnungstür eine Schüssel mit fettgebackenen Bällchen, mit Förtchen, Fötten stehen. Denn um die geht es ja, z.B. in Ol Johr, nee Johr, Mudder sünd die Fötten gor. Sünd se gor, giff mi n paar. Sünd se n beten kleen, giff mi twee för een, sünd se n beten grot, hett dat ok keen Not ….“ Die gibt’s dann gern auf die Hand oder ganz fein im Tütchen, damit sie im Beutel nicht verkleben mit den anderen Gaben.Zum Schluss sagt man Tschüss und Prost Neujahr, und vielleicht gibt ´s noch mal ein Lied, aber danke sagt man eigentlich nicht. Denn ursprünglich ging es ja darum, beim – womöglich säumigen Zahler – den Lohn abzuholen, also ein Recht einzufordern. Allerdings eben nicht so phantasielos und womöglich aggressiv wie bei Halloween, andererseits aber wirklich nicht wie beim kreuzbraven Sternsingen kurz nach Silvester am 6. Januar. Da entscheidet irgendein mehr oder weniger frommes fernes Gremium, wohin die Gaben gehen, die die SternsingerInnen eingesammelt haben. Rummelpott laufen die Kinder auf eigenen Rechnung. Und das ist auch gut so.
Am Schluss der Tour geht nicht etwa jedes Kind mit seinem Beutel nach Hause, sondern die Schätze werden an einem Ort ausgebreitet und gerecht geteilt. Dann kann die Silvesterfeier beginnen.
Wie man einen echten Rummelpott bastelt oder einen ziemlich echten, kommt jetzt:
Je nach Kraft der Trägerin oder des Trägers wählt man eine Tonkruke oder z.B. eine Keks- oder Kaffeedose aus Blech. Darüber spannt man eine Schweineblase, in die z.B. ein Dübelholz von der Länge eines Kochlöffels und der Dicke eines Fingers eingebunden wird.
Und die Schweineblase? Bekommt man getrocknet beim handwerklichen Fleischer, zumindest bei dem, der seine Mortadella oder z.B. den Presskopf noch selber macht. Dafür besorgt er sich getrocknete Schweineblasen im Zehnerpack beim Fleischerbedarf und weicht sie über Nacht ein. Sicher hat er die eine oder andere übrig. Aus der eingeweichten Schweineblase schneidet man ein so großes Stück heraus, dass es über die Öffnung der Tonkruke oder der Dose passt. Vorher bindet man den Stab (das Dübelholz), kurz unter dem Ende eingekerbt, in die Schweineblase ein, dreht die um, so dass der Stab nun nach oben ragt und bindet das Ganze über die Krukenöffnung. Das geht zu Zweit einfacher. Damit die noch feuchte Schweineblase beim Trocknen über Nacht nicht reißt, darf man sie nicht zu fest spannen. Und während des Trocknens muss man den senkrecht herausragenden Stab abstützen. Zwei Tage Vorbereitung und etwas Arbeit muss man einkalkulieren für den klassischen Rummelpott. Schneller und leichter ist er zu haben, wenn man die Schweineblase durch eine Plastikfolie ersetzt, nicht zu dick und nicht zu dünn, z.B. vom Gefrierbeutel.
Das fertige Werk klemmt man sich untern Arm, stützt mit der einen Hand den Stab und reibt daran mit feuchten Fingern so lange rauf und runter, bis der Rummelpott anfängt zu brummen.
Während früher bei winterlichen Temperaturen die Finger etwas kalt wurden, ist das heutzutage weniger zu befürchten. Wer nicht genug Spucke hat, um die Hand zu befeuchten kann ein kleines Wasserfläschchen auf die Tour mitnehmen. Auf Videos von Villancico-Aufführungen ist neben den Zambomba-Spielern oft eine Schale mit Wasser zu sehen.
Noch in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war das Rummelpott-Laufen stark verbreitet, sowohl in Schleswig-Holstein, als auch in Hamburg. Dabei huschten die kleinen Gestalten auch durch dichtbewohnte Arbeiterviertel wie Hamburg-Hamm. Helle Wiese gehörte dazu in der Vorkriegszeit. Auch in Blankenese und Groß Flottbek gehörte Rummelpott-Laufen zu Silvester dazu. Mitte der 1980er Jahre konnte ich noch mit Kindern sprechen, die in der Gegend der Wandsbeker Königstraße Rummelpott gelaufen sind. Hie und da in Schleswig-Holstein dürften Kinder sich dieses Vergnügen auch heute noch gönnen, und relativ häufig wohl noch in Nordfriesland. Norddeutschlands Rummelpott-Karte dürfte gern noch etwas mehr schwarze Flecken bekommen.